Hunde leben gern im Rudel, das ihnen Schutz und Gemeinschaft bietet. Jeder hat eine Aufgabe, ob bei der Aufzucht der Welpen, der Nahrungssuche oder der Verteidigung. Durch gemeinsames Spielen und Körperpflege entsteht eine enge Bindung. Hunde verlassen die Gruppe nur kurz, und kein Hund wird ausgeschlossen. Doch in der Menschenwelt müssen sie oft allein bleiben, was ihrem natürlichen Verhalten widerspricht. Trennungsstress kann entstehen, wenn sie das Alleinsein nicht früh lernen. In der Wildnis würde ein verlorener Hund bellen, um sein Rudel zurückzuholen. Aber in unserem Alltag ist das nicht möglich, und ständiges Bellen stört die Nachbarschaft. Daher ist es wichtig, dass Hunde lernen, einige Stunden allein zu bleiben. Lebensumstände ändern sich, und selbst wenn du denkst, dass dein Hund nie allein sein muss, kann sich das ändern. Beginne das Training kurz nachdem dein Welpe sich eingewöhnt hat. Auch ein adoptierter Hund kann das Alleinsein schwer finden und benötigt Training. Ein neues Zuhause kann Verlustangst auslösen, und das Training kann dann komplizierter sein als mit einem Welpen.
Alleine lassen im Welpentraining
Optimalerweise wird ein Hund bereits als Welpe an das Alleinsein gewöhnt. Ein verantwortungsvoller Züchter beginnt mit solchen Aktivitäten ab der sechsten Lebenswoche der Welpen. Zuerst nimmt er alle Welpen gemeinsam auf Abenteuer mit, doch nach und nach führt er auch einzelne Ausflüge mit nur einem Welpen durch. Auf diese Weise gewöhnt sich der Welpe von Beginn an daran, ohne seine Geschwister und die Mutter zu sein. Ab der neunten Woche, wenn der Welpe in sein neues Heim zieht, sollte er sofort lernen, kurze Zeit alleine zu bleiben. Ein Beispiel dafür wäre, wenn du ins Badezimmer gehst und die Tür schließt, sodass der Welpe nicht folgen kann. Nach einigen Sekunden kehrst du zurück, so lernt dein Welpe, dass es keinen Grund zur Aufregung gibt, wenn du einmal nicht da bist. Als nächstes verlässt du kurz die Wohnung, während dein Welpe in einem angenehmen Raum bleibt, in dem auch sein Schlafplatz ist. Entferne alles, was dein Welpe beschädigen könnte, damit du den Raum sorgenfrei verlassen kannst. Sei so normal wie möglich, wenn du zurückkehrst. Du solltest deinen Welpen weder tadeln, falls er etwas angeknabbert hat, noch übermäßig loben, denn er ist sich nicht bewusst, dass gerade eine "Trainingseinheit" stattgefunden hat. Obwohl er dein Wiederkommen mit einem Lob als etwas Positives verbinden könnte, steigert dies seine Erwartungshaltung. Er wird zunehmend angespannter warten, da die großartige Belohnung erst bei deiner Rückkehr erfolgt. Betritt also einfach den Raum und ignoriere deinen Welpen. Wenn dein Welpe einige Minuten alleine im Haus bleibt, kannst du die Zeit allmählich erhöhen. Anfangs musst du die Zeit in Minuten erhöhen; sobald die erste halbe Stunde erreicht ist, kannst du die Zeit schneller erhöhen. Wenn du diesem Training folgst, kann dein Welpe nach etwa vier Wochen lernen, ungefähr vier Stunden allein zu bleiben.
Tennungsangst oder Kontrollverlust
Was verursacht das Unvermögen eines erwachsenen Hundes, alleine zu bleiben? Zunächst muss festgestellt werden, ob es sich um Trennungsangst oder Kontrollverlust handelt. Obwohl die Trainingsmethoden für das Alleinsein bei beiden Problemen ähnlich sind, müssen im täglichen Umgang verschiedene Aspekte beachtet und geübt werden. Hunde mit Trennungsangst haben tatsächlich Angst, allein gelassen oder verlassen zu werden. Ein Trauma kann die Ursache sein, wie zum Beispiel eine zu frühe Trennung von der Mutter (bereits mit sechs Wochen), oder der Verlust des bisherigen Zuhauses. Es könnte aber auch sein, dass der Hund einfach nie gelernt hat, alleine zu bleiben, weil seine Besitzer ihm das nicht beigebracht haben oder weil er als Straßenhund gelebt hat, wo solche Anforderungen nie an ihn gestellt wurden. Hunde mit Trennungsangst zeigen direkt nach dem Alleinlassen intensive Anzeichen von Stress, wie starkes Hecheln, aufgeregtes Herumlaufen, Kratzen an der Tür (weil sie ihrem Menschen folgen wollen), sowie Winseln, Fiepen und vor allem Heulen, seltener auch Bellen. Das Winseln zeigt das Unbehagen des Hundes an, während das Heulen ein Versuch ist, die Gruppenmitglieder zurückzurufen. Manche Hunde leiden stumm, sie erstarren regelrecht. Sie liegen bewegungslos vor der Tür, bis der Mensch zurückkehrt. Nach einer kurzen freudigen Begrüßung fallen diese Hunde erschöpft in ihr Bett. Das größte Problem bei diesen Hunden besteht darin, dass ihre Besitzer oft nicht merken, wie gestresst ihr Hund ist und wie schlecht es ihm geht, wenn er alleine bleiben muss. Sie sehen das Alleinsein ihres Hundes eher als unproblematisch an. Kein Bellen, kein Jammern, nichts wird zerstört - so wünscht man es sich doch. Aber der Hund leidet still und kann dem Menschen nicht mitteilen, wie schlecht es ihm geht. Wenn dein Hund nach einer längeren Zeit alleine erschöpft in sein Bett fällt, ist das immer ein Alarmsignal. Im Alltag bleiben Hunde mit Trennungsangst auch eher in der Nähe des Menschen, sie folgen ihm mit beschwichtigender Körperhaltung, wenn er den Raum wechselt, und entfernen sich auch beim Spaziergang in der Regel nicht sehr weit. Wenn der Mensch zurückkommt, wird er beschwichtigend begrüßt, der Hund klettert dabei mit angelegten Ohren und nach unten gehaltener Rute am Menschen hoch. Das Alleinbleiben fällt diesen Hunden überall schwer, sowohl in der eigenen Wohnung als auch zum Beispiel im Auto. Wer beim Hund bleibt, spielt dabei keine Rolle, es kann irgendein Familienmitglied, ein guter Bekannter oder sogar ein Hundesitter, den du engagiert hast, sein. Für den Hund ist nur wichtig, dass er nicht alleine ist. Hunde mit Kontrollverlust hingegen leiden darunter, dass sie für eine Weile nicht mehr auf ihren Menschen aufpassen können. Sie fühlen sich für ihren Menschen verantwortlich und haben das Gefühl, dass sie sich um ihn kümmern müssen. Deshalb ertragen sie das Alleinbleiben oft für eine kurze Zeit, da sie davon ausgehen, dass der Mensch auch kurzfristig ohne den Hund klarkommen kann. Daher kommt es meist erst nach einer gewissen Zeit der Trennung zu Lautäußerungen, wobei der Hund selten heult, sondern eher laut und oft auch stundenlang bellt. Das Bellen zeigt den Frust des Hundes über die Abwesenheit des Menschen und das Eingesperrtsein an. Daher kratzen diese Hunde selten an Türen, sondern nehmen eher Gegenstände des Menschen, die sie dann anknabbern und zerstören. Im Alltag folgen diese Hunde ihrem Menschen auf Schritt und Tritt. Dabei geht es dem Hund weniger darum, beim Menschen zu sein, als ihn zu kontrollieren. Sie stellen sich zum Beispiel in den Weg und begrenzen den Menschen, setzen sich gerne auf die Füße ihres Menschen oder lehnen sich an dessen Beine an. Was vom Menschen oft als "bedürftig" und kuschelig wahrgenommen wird, ist in Wirklichkeit ausgeübte Kontrolle. Wenn der Mensch zurückkommt, springt der Hund ihn oft mit voller Wucht an. Das ist übrigens kein Zeichen von Freude, wie oft angenommen wird, sondern eher eine Zurechtweisung des Besitzers, weil er ohne den Hund rausgegangen ist. Das zeigt sich auch in der Körperhaltung des Hundes, der mit hochgetragener Rute dem Menschen entgegen springt. Die Anwesenheit anderer Menschen ändert dabei nichts am Verhalten des Hundes. Solange "sein" Mensch, für den er sich verantwortlich fühlt, ohne ihn weg ist, hat er Stress und zeigt das auch deutlich, auch wenn ein anderes Familienmitglied, ein Bekannter oder Hundesitter beim Hund bleibt.
Alleinelassen im Alltag
Abhängig davon, ob dein Hund an Trennungsangst leidet oder unter Kontrollverlust, variiert das Training. Trennungsängstliche Hunde sind häufig unsicher und besitzen wenig Selbstvertrauen. Es ist daher wichtig, dieses im Alltag durch gezielte Aktivitäten zu stärken, bei denen dein Hund selbständig agieren und durch eigene Entscheidungen zum Ziel gelangen kann. Mantrailen, Fährtenarbeit oder die Suche nach versteckten Objekten sind dafür sehr geeignet. Dein Hund sollte selbstständig Aufgaben lösen, die ihn zum Nachdenken und Ausprobieren anregen. Denksportspiele, bei denen dein Hund Futter durch Öffnen von Schubladen, Verschieben von Schaltern oder Herausziehen von Boxen finden muss, bieten hierbei eine Vielzahl von Möglichkeiten.
Kontrollverlust wird bei Hunden hervorgerufen, die aus ihrer Perspektive das Gefühl haben, die Verantwortung für ein oder mehrere Gruppenmitglieder zu tragen. Diese Hunde sind davon überzeugt, dass sie die Gruppe führen, beschützen und kontrollieren müssen. Das Alleinlassen eines solchen Hundes führt zu Stress, da er seiner Rolle nicht gerecht werden kann. Deshalb sollte eine Veränderung der Lebensstruktur mit dem vierbeinigen Kumpel erfolgen. Nur wenn er sich nicht mehr für dich verantwortlich fühlt, wird er das Alleinsein lernen. Um dies zu erreichen, musst du deinem Hund zeigen, dass du die Führungsrolle übernimmst. Hierbei ist nicht die traditionelle und oft missverstandene "Unterordnung" oder "Dominanz" gemeint. Es geht nicht darum, deinen Hund zu bestrafen oder streng zu ihm zu sein. Stattdessen musst du klare Regeln und Strukturen im Zusammenleben festlegen und konsequent durchsetzen. Dabei ist es wichtig, deinem Hund nicht das Gefühl zu geben, dass er territoriale Aufgaben übernehmen muss.
Wenn dein Hund ständig uneingeschränkte Bewegungsfreiheit genießt, seinen Platz direkt neben der Eingangstür hat oder im Garten Passanten anbellen darf, kann er das Gefühl bekommen, für die territoriale Sicherheit in deinem Zuhause zuständig zu sein. Es ist auch wichtig zu beachten, wer die Entscheidungen trifft. Wenn dein Hund akzeptieren soll, dass du alleine nach draußen gehst, musst du auch im restlichen Alltag viele Entscheidungen treffen. Wenn jedoch dein Hund die Initiative für Spiele ergreift, Streicheleinheiten verlangt oder dich dazu bringt, die Terrassentür für ihn zu öffnen, dann trifft er die wichtigen Entscheidungen im Alltag selbst. Dein Hund muss also lernen, sich an dir und deinen Entscheidungen zu orientieren. Beschäftige ihn daher lieber mit Apportiertraining, bei dem du ihm genaue Anweisungen gibst. Nur wenn er diese befolgt, erreicht er das Ziel. Zum Beispiel könntest du zwei oder mehr Gegenstände werfen und deinen Hund gezielt zu einem bestimmten Gegenstand schicken.
Zusätzliche, wesentliche Trainingstipps:
• Sorge dafür, dass dein Hund genügend ausgelastet ist, bevor du das Haus verlässt (zum Beispiel durch Apportier- oder Schnüffelspiele). Sowohl körperliche als auch geistige Anstrengung sind hierbei essenziell! Ein ermüdeter Hund wird eher dazu neigen, sich hinzulegen und zu entspannen, wenn du ihn alleine lässt. Allerdings solltest du nach dem Training immer eine Pause einlegen, bevor du deinen Hund alleine lässt, da der Übergang von Aktivität zu Ruhe sonst zu abrupt für ihn ist.
• Vermeide eine übertriebene Verabschiedung von deinem Hund, da du sonst dem Alleinsein eine übermäßige Bedeutung beimisst. Dein Hund wird merken, dass auch du aufgeregt bist und dass etwas "Außergewöhnliches" bevorsteht. Das wird ihn kaum beruhigen.
• Übertreibe auch die Begrüßung deines Hundes nach deiner Rückkehr nicht. Es ist völlig normal, dass ein Hund nach einer Trennung die zurückkehrenden Gruppenmitglieder begrüßt, aber du solltest dich dabei, ähnlich wie eine Mutterhündin mit ihren Welpen, gelassen und ruhig verhalten. Schließlich ist nichts Besonderes passiert und es gibt keinen Grund für eine überbordende Begrüßung. Eine übermäßige Begrüßung könnte dazu führen, dass dein Hund deine Rückkehr als extrem erfreuliches Ereignis ansieht und dadurch immer nervöser auf deine Rückkehr wartet, da dann endlich wieder etwas Spannendes passiert.
• Bestrafe deinen Hund nie, wenn er während deiner Abwesenheit das Haus auf den Kopf gestellt, gebellt oder in die Wohnung uriniert hat. Er tut das nicht, um dich zu ärgern! Er nutzt dieses Verhalten als Ventil, um mit seinem Stress umzugehen, da er noch keinen geeigneten Weg gelernt hat, um mit solchen stressigen Situationen umzugehen. Nutze dies eher als Anlass, im Training einige Schritte zurückzugehen, denn offensichtlich war dein Hund noch nicht so weit.
• Lass deinen Hund nur so lange alleine, wie es sein aktueller Trainingsstand zulässt. Du musst während der Trainingszeit also immer eine Lösung finden, deinen Hund mitzunehmen oder von jemand anderem betreuen zu lassen. Auch wenn es "nur einmal" länger war, als du es im Training erreicht hast, kann diese Erfahrung dich bzw. deinen Hund im Training komplett zurückwerfen. Schimpfe nie, wenn dein Hund in deiner Abwesenheit etwas zerstört hat.